Als Personalberater für Ingenieure in den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik und Automatisierungstechnik stehe ich vor einer Herausforderung, die vielen Unternehmen vielleicht gar nicht bewusst ist: Die Erwartungen an die Besetzung einer offenen Stelle sind oft so hoch, dass sie beinahe einem Ideal entsprechen – einem Kandidaten, der zu 100 % ins Profil passt.
Das ist verständlich, schließlich geht es um wichtige Positionen, und jede Neueinstellung soll nicht nur fachlich, sondern auch menschlich ins Team passen. Und klar: wenn ein Personalberater für richtig Geld💰hinzugezogen wird, dann muss es matchen!
Doch genau hier entsteht ein Spannungsfeld, das den Besetzungsprozess erschweren kann.
Warum der 100%-Match eine Herausforderung darstellt
- Die Realität des Arbeitsmarkts
Der Fachkräftemangel im Ingenieurwesen ist kein Geheimnis. Die Zahl der qualifizierten Fachkräfte ist begrenzt, und viele von ihnen sind in sicheren Positionen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kandidat alle Anforderungen eines Stellenprofils erfüllt und gleichzeitig wechselbereit ist, ist deshalb gering. - Vielseitige Anforderungen
In den meisten Stellenausschreibungen sind die Anforderungen breit gefächert: Neben fachlichen Qualifikationen sind Soft Skills, Führungserfahrung und Team-Fit gefragt. Ein solcher Allrounder ist jedoch selten – und wenn er existiert, ist er in der Regel sehr gefragt. - Die versteckten Kosten des Idealanspruchs
Die Suche nach einem „perfekten Kandidaten“ dauert oft länger, als nötig wäre. Währenddessen bleiben wichtige Projekte liegen, das bestehende Team wird zusätzlich belastet, und die ursprüngliche Dringlichkeit der Besetzung wird immer spürbarer (-> Cost of Vacany).
Der Fokus auf Potenzial statt Perfektion
Statt den „idealen Kandidaten“ zu erwarten, lohnt es sich, den Blick auf Potenziale zu richten. Ein Bewerber, der beispielsweise 80 % der geforderten Qualifikationen mitbringt, aber durch Motivation und Lernbereitschaft überzeugt, kann langfristig eine exzellente Lösung sein.
Fachliche Fähigkeiten lassen sich durch gezielte Einarbeitung oder Weiterbildungen erweitern. Wichtiger sind Eigenschaften wie Teamfähigkeit, Engagement und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – Faktoren, die oft den Unterschied machen.
Mein Appell an Unternehmen
In meiner Rolle als Personalberater betrachte ich es als meine Aufgabe, Unternehmen bei der Suche nach den besten Kandidaten zu unterstützen. Dabei geht es nicht nur darum, Anforderungen zu erfüllen, sondern auch darum, realistische Perspektiven aufzuzeigen.
Deshalb lade ich Unternehmen ein, sich folgende Fragen zu stellen:
- Welche Kriterien sind für den Erfolg in der Position unverzichtbar?
- Wo gibt es Spielraum für Entwicklung?
- Wie können wir Kandidaten dabei unterstützen, sich in unserer Organisation weiterzuentwickeln?
Die Suche nach einer neuen Fachkraft ist immer auch eine Investition in die Zukunft. Wer Potenzial statt Perfektion in den Vordergrund stellt, beschleunigt nicht nur den Besetzungsprozess, sondern legt auch den Grundstein für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Denn der perfekte Match mag selten sein – aber der passende Match ist oft viel wertvoller.