Vor kurzem wurde ich gebeten, als externer Trainer spontan in einem Seminar einzuspringen. Wer mich kennt, weiß, dass ich Spontanität liebe – ich nahm die Herausforderung ohne Zögern an. Doch was ich dabei erlebt habe, ging weit über eine typische Schulung hinaus. In den zwei Tagen wurde mir wieder bewusst, wie tiefgreifend spontane Erlebnisse nicht nur die Teilnehmer, sondern auch mich selbst als Trainer beeinflussen können. In diesem Blogbeitrag möchte ich die Erkenntnisse, die ich aus dieser Erfahrung gewonnen habe, teilen – und aufzeigen, warum Spontanität so oft die besten Lernmöglichkeiten eröffnet.
Die Psychologie der Spontanität – Warum wir durch Überraschungen besser lernen
Spontanität ist mehr als nur eine Frage der Flexibilität; sie hat tiefe Wurzeln in der Art und Weise, wie unser Gehirn funktioniert. Forschungen in der Psychologie zeigen, dass unerwartete Herausforderungen unser Gehirn dazu zwingen, auf ganz neue Weise zu denken. Diese Momente der Unvorhersehbarkeit aktivieren das dopaminerge Belohnungssystem im Gehirn, was uns motiviert, neue Informationen zu verarbeiten und kreative Lösungen zu finden. Eine Studie der Stanford University fand heraus, dass Menschen, die regelmäßig spontane Aufgaben meistern, ein höheres Maß an kognitiver Flexibilität aufweisen – die Fähigkeit, von einer Denkweise zu einer anderen zu wechseln, je nach den Anforderungen der Situation (Diamond, 2013).
Spontanität im Training – Die Vorteile für Trainer und Teilnehmer
Als Trainer neigen wir oft dazu, uns auf feste Lehrpläne und klar strukturierte Abläufe zu verlassen. Doch spontane Situationen zwingen uns, außerhalb dieser Strukturen zu agieren – und genau darin liegt der Wert. Während des Seminars hatte ich die Aufgabe, den Abschluss zu gestalten und die Teilnehmerinnen auf eine reflektierende Reise mitzunehmen. Was ursprünglich als ein Vortrag über klassische Bewerbungsstrategien gedacht war, entwickelte sich zu einer interaktiven Diskussion, in der wir gemeinsam neue Wege entwickelten, um persönliche Stärken und den individuellen „Purpose“ der Teilnehmerinnen zu erkunden.
Studien zeigen, dass interaktive Lernmethoden weitaus effektiver sind als frontale Vorträge. Eine Untersuchung der Harvard University ergab, dass aktives Lernen die Lernergebnisse signifikant verbessert, indem es das Metagedächtnis (die Fähigkeit, über das eigene Denken nachzu
denken) der Teilnehmer schärft (Freeman et al., 2014). Indem ich die Teilnehmerinnen dazu anregte, ihre Erfahrungen zu reflektieren und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, konnten sie sich nicht nur besser mit den Inhalten identifizieren, sondern diese auch langfristiger verinnerlichen.
Aha-Momente und das Überwinden von „Berufsbeschränkungen“
Oft gehen wir als Trainer davon aus, dass wir den Teilnehmern etwas beibringen – doch in Wirklichkeit ist das Lernen ein gegenseitiger Prozess. Während des Seminars erlebte ich einen „Aha-Moment“, der mir klar machte, wie sehr auch ich dazu neige, Annahmen zu treffen. Eine dieser Annahmen ist die sogenannte „Berufsbeschränkung“ – die Tendenz, nur das zu sehen, was unmittelbar vor uns liegt, und dabei andere mögliche Perspektiven zu übersehen. Dieses Phänomen ist tief in der Psychologie verwurzelt und wird als „funktionale Fixierung“ bezeichnet. Es beschreibt die Neigung, Probleme nur in der Weise zu betrachten, wie wir es gewohnt sind, und alternative Lösungen zu ignorieren.
In einem Bewerbungskontext bedeutet dies oft, dass sich Menschen auf Standardprozesse verlassen – einen festen Lebenslauf, ein klassisches Anschreiben – und dabei das Potenzial übersehen, ihre Bewerbung kreativer und vielseitiger zu gestalten. Indem wir gemeinsam an der Frage arbeiteten, wie man sich durch Initiativbewerbungen besser positionieren kann, ermutigte ich die Teilnehmerinnen, ihre „Berufsbeschränkung“ abzulegen und mehr über ihre einzigartigen Fähigkeiten nachzudenken.
Der Mensch hinter der Bewerbung – Warum Individualität der Schlüssel ist
Im Recruiting geht es nicht nur um Qualifikationen auf Papier. Jeder Bewerber bringt eine einzigartige Geschichte, Erfahrungen und Ziele mit, die berücksichtigt werden müssen. Es ist entscheidend, den Menschen hinter der Bewerbung zu erkennen und zu verstehen, was ihn antreibt. Forschungsergebnisse stützen diese These: Eine Studie von Chamorro-Premuzic und Kollegen (2017) zeigt, dass Bewerber, die in der Lage sind, ihre Persönlichkeit und ihre individuellen Stärken hervorzuheben, erfolgreicher sind als solche, die sich ausschließlich auf ihre Qualifikationen konzentrieren.
Indem ich den Teilnehmerinnen zeigte, wie sie ihre persönlichen Erfahrungen mit den Anforderungen der gewünschten Stelle verknüpfen können, ermöglichte ich ihnen, ihre Bewerbung authentischer und menschlicher zu gestalten. Authentizität ist ein Schlüsselfaktor im Bewerbungsprozess, denn sie schafft Vertrauen und ermöglicht eine echte Verbindung zwischen Bewerber und Arbeitgeber.
Offener Austausch – Warum gegenseitiges Lernen die besten Ergebnisse bringt
Was mir an diesem Seminar besonders gefallen hat, war der offene Austausch. Anstatt auf einer „höheren“ Ebene zu stehen und Wissen von oben herab zu vermitteln, habe ich mich auf Augenhöhe mit den Teilnehmerinnen begeben. Dies fördert nicht nur das gegenseitige Lernen, sondern schafft auch eine Atmosphäre der Offenheit und Ehrlichkeit. Zahlreiche psychologische Studien belegen, dass kooperative Lernmethoden das Selbstvertrauen der Teilnehmer stärken und zu einer tieferen Auseinandersetzung mit den Inhalten führen (Johnson et al., 2000). Durch diesen Ansatz wird nicht nur der Lernprozess verbessert, sondern auch eine Grundlage für echte Verbindungen geschaffen, die über das Seminar hinaus bestehen bleiben.
Initiativbewerbungen – Mut zur Eigeninitiative und Vielseitigkeit
Ein zentrales Thema, das wir während des Seminars erarbeitet haben, war die Bedeutung von Initiativbewerbungen. Viele Menschen zögern, sich initiativ zu bewerben, weil sie nicht sicher sind, ob ihre Fähigkeiten zum Unternehmen passen. Doch die Wahrheit ist: Es ist oft genau diese Eigeninitiative, die den Unterschied macht. Ein potenzieller Arbeitgeber möchte nicht nur sehen, was ein Bewerber in der Vergangenheit getan hat, sondern wie er kreativ und proaktiv zur Lösung zukünftiger Herausforderungen beitragen kann.
Die Selbstwirksamkeitstheorie, von Albert Bandura, besagt, dass Menschen, die an ihre eigenen Fähigkeiten glauben und selbstbewusst agieren, erfolgreicher sind. Dies gilt besonders in Bewerbungssituationen. Indem die Teilnehmerinnen lernten, ihre vielfältigen Fähigkeiten selbstbewusst zu präsentieren und den direkten Bezug zur ausgeschriebenen Position herzustellen, konnten sie nicht nur potenzielle Arbeitgeber beeindrucken, sondern auch ihr eigenes Vertrauen in die eigene Leistung stärken.
Fazit: Spontanität als Schlüssel zum Erfolg
Diese zwei Tage haben mir gezeigt, wie wertvoll spontane Herausforderungen sein können – sowohl für mich als Trainer als auch für die Teilnehmerinnen. Spontane Einsätze zwingen uns, aus unseren Routinen auszubrechen und neue Wege zu beschreiten. Sie ermöglichen echte Lernmomente, bei denen sich alle Beteiligten weiterentwickeln können. Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Erfahrung war, dass es nicht nur darum geht, Wissen zu vermitteln, sondern auch darum, offene Gespräche zu führen, in denen jeder seine Perspektiven und Ideen einbringen kann. Denn genau hier entsteht der größte Mehrwert – im gemeinsamen Lernen und im gegenseitigen Austausch.
Ich danke den Teilnehmerinnen noch einmal von Herzen für ihre Geduld und Offenheit und freue mich darauf, ihre zukünftigen Wege zu verfolgen.