Von: Birgit Wagner
Ich habe zuerst darüber nachgedacht, ob ich diesen Blog schreiben soll oder nicht – denn das könnte durchaus zu starken Differenzen in der Wahrnehmung führen, je nachdem, ob man Bewerber oder Arbeitgeber ist. Dennoch: Ich finde, das muss mal gesagt sein. Denn am Ende geht es um eines – klare, transparente Kommunikation, die beiden Seiten Zeit und Frustration erspart.
Jeder, der sich schon einmal beworben hat, kennt es: Man durchläuft mehrere Gespräche, stellt sich den Fragen der Personalabteilung und der Fachbereiche, investiert Zeit und Energie in den Prozess. Und dann kommt es zum entscheidenden Moment: das Vertragsangebot. Doch was, wenn dieses Angebot deutlich unter dem kommunizierten Gehaltswunsch liegt? Vielleicht sogar unter dem aktuellen Einkommen? Warum passiert so etwas, und hofft man ernsthaft, dass der Kandidat aus purer Verzweiflung trotzdem unterschreibt?
Warum machen Arbeitgeber das?
Es gibt verschiedene Gründe, warum Unternehmen ein Angebot unterhalb der Erwartungen unterbreiten – zum Beispiel:
- Tarifliche Einschränkungen: In tarifgebundenen Unternehmen sind Gehaltsstrukturen oft festgelegt, was wenig Spielraum lässt.
- Soziale Gerechtigkeit innerhalb der Belegschaft: Ein zu hohes Einstiegsgehalt könnte zu internen Spannungen führen.
- Abweichungen vom Anforderungsprofil: Fehlende Abschlüsse, Zertifikate oder spezifische Berufserfahrung können dazu führen, dass das Angebot angepasst wird.
- Budgetbeschränkungen: Manche Unternehmen können sich schlicht keine höheren Gehaltsstrukturen leisten.
Diese Argumente sind nachvollziehbar. Doch sie sind in der Regel bereits vor der finalen Vorlage eines Arbeitsvertrages bekannt. Spätestens nach den ersten Gesprächen hat das Unternehmen ein klares Bild davon, ob die Erwartungen des Kandidaten mit den eigenen Möglichkeiten übereinstimmen. Warum wird also trotzdem am Ende ein Angebot gemacht, das offensichtlich zu niedrig ist?
Die Hoffnung auf eine Zusage – ein Trugschluss
Ein solches Angebot basiert oft auf der Hoffnung, dass der Kandidat aus Mangel an Alternativen oder aus Verzweiflung dennoch zusagt. Doch diese Strategie ist selten zielführend. Vor allem Fachkräfte und Spezialisten wissen um ihren Marktwert und haben heutzutage in vielen Branchen mehrere Optionen. Ein Angebot, das unter den Erwartungen liegt, führt daher meist nur zu einer Ablehnung – und beide Seiten haben Zeit verschwendet.
Kommunikation ist der Schlüssel
Was kann man besser machen? Ganz einfach: Frühzeitige Kommunikation und Verhandlung.
- Gehaltsvorstellungen klären: Bereits im ersten Gespräch sollte offen über die Gehaltsrange gesprochen werden.
- Gründe transparent machen: Wenn ein Unternehmen den Gehaltswunsch nicht erfüllen kann, sollte es dies erklären und nicht erst beim Vertragsangebot damit überraschen.
- Perspektiven aufzeigen: Ein niedrigeres Einstiegsgehalt kann akzeptabel sein, wenn klare Entwicklungsmöglichkeiten und Gehaltserhöhungen in Aussicht gestellt werden.
Wie ich es als Personalberater mache
Als Personalberater spreche ich mit jedem Bewerber sehr genau darüber, was sein aktuelles Gehalt ist – sowohl im Fixum als auch in variablen Anteilen. Ebenso klären wir gemeinsam, was das Wunschgehalt sein soll und welches absolute Minimum gegeben sein muss. Die Information des Wunschgehaltes kommuniziere ich transparent an meine Kunden, damit von Anfang an Klarheit herrscht. So kann ich vielleicht zwar nicht ein „Lowball-Offer“ verhindern, aber es reduziert das Risiko, dass am Ende Bewerber und Kunde finanziell nicht zusammenfinden.
Wie kann ein Unternehmen ein Angebot attraktiver gestalten?
Wenn ein Unternehmen finanziell nicht flexibel ist, gibt es andere Wege, das Gesamtpaket für den Kandidaten attraktiver zu machen:
- Gehaltssteigerung in Stufen: Eine vertraglich festgelegte Erhöhung nach sechs oder zwölf Monaten kann eine Perspektive schaffen.
- Weiterbildungsmöglichkeiten: Die Finanzierung einer Zertifizierung oder eines spezialisierten Trainings kann den Kandidaten langfristig motivieren.
- Flexibilität bei Arbeitszeiten und Homeoffice: Eine bessere Work-Life-Balance kann monetäre Einschränkungen ausgleichen.
- Zusätzliche Benefits: Ein höherer Zuschuss zur betrieblichen Altersvorsorge, ein Jobticket oder andere Vergünstigungen können ein niedrigeres Gehalt teilweise kompensieren.
Was sollten Bewerber tun?
Auch auf Bewerberseite ist eine klare Kommunikation essenziell:
- Klare Gehaltsgrenzen setzen: Bereits frühzeitig sollte man dem Arbeitgeber mitteilen, welches Minimum man akzeptieren würde.
- Verhandlungsbereitschaft signalisieren: Wenn ein Unternehmen nicht das Wunschgehalt zahlen kann, aber andere attraktive Rahmenbedingungen bietet, kann eine Verhandlung sinnvoll sein.
- Perspektiven einfordern: Wenn das Startgehalt niedriger ist, sollte man nach schriftlich fixierten Gehaltssteigerungen, Zusatzleistungen oder Fortbildungen fragen.
Fazit: Niemand gewinnt bei Lowball-Offers
Am Ende hat niemand etwas davon, wenn ein Kandidat nach einem langen Prozess absagt, weil das Angebot nicht passt. Die Lösung? Ehrlichkeit, Transparenz und frühzeitige Kommunikation. Unternehmen sollten frühzeitig realistische Gehaltsvorstellungen klären und alternative Anreize bieten, während Bewerber klar ihre Mindestanforderungen definieren. Nur so können beide Seiten effizient zueinanderfinden und eine langfristige Zusammenarbeit aufbauen. Denn Zeit ist eine wertvolle Ressource – für beide Seiten.